Straftaten bei Demonstrationen

Egal, ob „Wir sind das Volk!“, „Merkel muss weg!“, „Refugees Welcome“ oder „Nazis raus!“ skandiert wird – Demonstrationen haben in den letzten Jahren, Monaten und Wochen Hochkonjunktur. Nahezu täglich finden irgendwo in Deutschland Demos statt und Polizei wie Medien sind mit einem Großaufgebot vor Ort. Die Menschen machen wieder mehr von ihrem Recht Gebrauch, ihre eigne Meinung auf Demonstrationen kund zu tun. Es bleibt nicht aus, dass bei Demonstrationen Straftaten begangen werden.

Demonstrationen – egal welcher Größe, werden von der Polizei begleitet und geschützt. Dabei hat die Polizei zwei Aufgaben: Erstens soll sie die Demonstranten vor Störungen schützen. Zweitens soll sie dafür sorgen, dass die Demonstranten sich an die Spielregeln halten und keine Straftaten begehen. Ob die Demonstranten wirklich Straftaten begehen, ist häufig Streitpunkt zwischen der Polizei und dem einzelnen Demo-Teilnehmer.

  • Wer bei einer Demonstration oder am Rande einer Demonstration Reporter, Polizisten oder andere Menschen schlägt begeht eine Körperverletzung;
  • Genauso ist es als Sachbeschädigung strafbar, wenn man Kameras, Polizeiwagen oder eine Bushaltestelle beschädigt oder zerstört;
  • Und auch das Anzünden von Mülleimern, Reifen oder Barrikaden ist als Brandstiftung strafbar.

Diese Fälle sollten jedem Demo-Teilnehmer vollkommen klar sein. Im Folgenden wollen wir von einigen Fällen berichten, die den groben Rahmen abstecken, was auf Demos typischerweise erlaubt ist – und was nicht.

Ist es wirklich verboten sich zu „vermummen“?

Vor einigen Jahren hat in einer Stadt in Niedersachsen eine größere Demo stattgefunden. Unsere Mandantin war Teilnehmerin einer linksorientierten Gegendemonstration. Die Polizei warf unserer Mandantin vor, sich dergestalt vermummt zu haben, dass sie ihr T-Shirt über ihren Mund- und Nasenbereich gezogen haben soll und ferner eine Sonnenbrille getragen hat. „Ihre Ohren seien durch ihre Haartracht gleichfalls verdeckt gewesen“ – klar, vor der Demo ist sie nicht zum Friseur gegangen.

Richtig ist, dass es in Deutschland gesetzlich verboten und eine Straftat ist, sich zu vermummen, um die Identitätsfeststellung zu verhindern, damit man später nicht wiedererkannt wird.

Was die Polizei nicht gesehen hat war, dass die Mandantin nur für ca. 30 Sekunden und mit einigen Unterbrechungen ihr T-Shirt über die Nase gezogen hat, um sich vor einem ihr bekannten, gewaltbereiten Gegendemonstranten zu verstecken. Sie sei bereits einmal mit diesem Mann, der der rechten Szene zuzuordnen war aneinandergeraten und von ihm körperlich angegangen worden. Als die Demonstration der rechten Szene und die Gegendemonstration, getrennt von der Polizei, einander vorbei gingen, hat sie folglich ihr Gesicht kurz verborgen, um von dem ihr bekannten Teilnehmer der anderen Demonstration nicht erkannt zu werden.

Das ist nicht strafbar. Die Mandantin vermummte sich nur zu dem Zweck, der Demonstration nachgeschalteter Repressalien gewalttätiger Gegendemonstranten zu verhindern. Eine solche Vermummung erfüllt den Tatbestand des § 27 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 17a Abs. 2 Nr. 1 VersammlG nicht, denn dieser setzt voraus, dass man sich der Identifizierung durch den Staat, also die Polizei entziehen will.

Welche Aussagen auf einer Demo sind erlaubt? Und welche strafbar?

Grundsätzlich ist alles erlaubt, was von der Meinungsfreiheit gedeckt ist. Und das ist alles, was keine Beleidigung oder eine andere Straftat darstellt. Uns ist ein Fall bekannt, in dem eine Versammlungsteilnehmerin einer Demo in Köln zum Gedenken an die Opfer der Anschläge von Paris unter dem Motto „Freiheit statt Islamisierung“ eine Rede hielt, in der sie äußerte: „Der Islam gehört zu Deutschland wie Scheiße auf den Esstisch“.

Auf der Demo waren auch Zivilpolizisten der Abteilung „Staatsschutz“ unterwegs. Der Polizist hat die Aussage an die Einsatzleitung gemeldet und diese der Staatsanwaltschaft. Der Beamte hat nach der Rede die Personalien der Frau festgestellt. Die Frau hat sich damit wegen Beschimpfung von Religionsgemeinschaften gemäß § 166 Abs.2 StGB strafbar gemacht.

Andere Beleidigungen, die ebenfalls auf Demos skandiert wurden und strafbar sind, sind zum Beispiel

  • die Bezeichnung eines Polizeibeamten als „Scheißbullen“ sowie
  • das Tragen von T-Shirts mit der Aufschrift „ACAB“.

Was ist Volksverhetzung?

Auch die Volksverhetzung ist eine Straftat aus dem § 130 Strafgesetzbuch (StGB). Anfang 2015 hat, während einer „Pegida“-Demo in Duisburg mit rund 200 Teilnehmern, ein Redner folgende Aussagen getätigt und ist danach vom Amtsgericht zu einer Geldstrafe verurteilt worden:

  • „Der Juli war der schlimmste Invasoren-Ansturm-Monat überhaupt, seitdem es diese Völkerwanderung gibt. 79.000 Menschen haben allein im Juli unser Land geflutet. Nur 2 % aller Invasoren, die ankommen, haben wirklich Asylrecht. Die anderen das sind Schmarotzer, die herkommen und hier von dem besten Sozialsystem der Welt profitieren wollen.“ „Die kommen hier her, um Beute zu machen.“ „Wollt Ihr, dass unsere Kinder zur Schule gefahren werden müssen, weil auf dem Weg ein Asylantenheim ist, wo man Angst haben muss, dass den Kindern vielleicht Drogen zugesteckt werden?“

Der Mann hat sich wegen Volksverhetzung in zwei Fällen gemäß § 130 Abs. 1 Nr. 1 StGB strafbar gemacht, denn er hat öffentliche Äußerungen getätigt, die geeignet sind, den öffentlichen Frieden zu stören und gegen einen Teil der Bevölkerung zum Hass aufgestachelt.

Indem er sämtliche nach Deutschland einreisende Asylbewerber als „Invasoren“, die das Land „fluten“ würden bzw. die Einreise von Asylbewerbern im Juli 2015 als „Invasoren-Ansturm“ bezeichnete, hat er diesen Teil der Bevölkerungsgruppe als feindliche Eindringlinge dargestellt und sich nach Auffassung des Gerichtes einer Kriegsrhetorik bemächtigt.

Auch die Bezeichnung als „Schmarotzer“ bzw. „Asylschmarotzer“ stellt eine Verunglimpfung der Bevölkerungsteile dar. Der Begriff „Schmarotzer“ wird assoziiert mit Schädlingen und Parasiten, die im biologischen Kontext nur durch das Schädigen anderer Pflanzen oder Tiere existieren können. Damit wird den Asylbewerbern das Recht abgesprochen, als gleichwertige Persönlichkeiten in der deutschen Gesellschaft zu leben. Vielmehr werden sie als unterwertig und schädlich dargestellt. Das ist eine „Volksverhetzung“.

In Kürze: Hier geht es um rechtsradikale Hetze gegen gesellschaftliche Minderheiten, wie z.B. Flüchtlinge, Homosexuelle oder Religionsgruppen. Das ist strafbar.

Landfriedensbruch und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, Verstöße gegen das Versammlungsgesetz

Ein anderer Fall belegt, wie schnell man die Straftat des Landfriedensbruches und des Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamten, im Wesentlichen also Polizisten, erfüllt.

Zwei Männer nahmen an einer Demonstration in Köln mit etwa 150 weiteren Personen teil, die sich gegen einen an diesem Tag stattfinden Aufzug der Partei „die Republikaner“ richtete. Die beiden Männer führten die anderen Teilnehmer entlang der geplanten Route und hielten auf dem Rückweg die Gruppe an und forderten, gemeinsam die polizeiliche Absperrung in einer angrenzenden Straße zu durchbrechen, um so auf die Demo der Republikaner zu gelangen. Die Absperrung dort war besonders gut dazu geeignet, da sich dort nur wenige Polizeibeamte befanden und man die Polizeisperre einfach „wie beim Rugby überrennen“ konnte. Die beiden Männer spielten sich dabei die Wortbeiträge untereinander zu. Einer der beiden betonte darüber hinaus, dass bei der ins Auge gefasste polizeilichen Absperrung nur wenige Beamten stünden und es wichtig sei bei dem Überrennen lautstark zu schreien, um die Beamten einzuschüchtern.

Die Gruppe um die beiden Männer setzte sich daraufhin in Bewegung und stürmte kurze Zeit die Polizeikette von etwa drei bis vier Beamte. Dabei kam es zu Gewalttätigkeiten. Es gelang etwa 30 Demonstranten die Sperre zu durchbrechen, wovon einige einfach an den Beamten vorbeilaufen konnten und andere diesen Weg nur durch Anwendung von Gewalt gegenüber den Polizeibeamten fanden.

Damit haben sich beiden Männer der Anstiftung zum Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, dem Landfriedensbruch und einem Verstoß gegen das Versammlungsgesetzt schuldig gemacht. Es war ihre Absicht, eine andere genehmigte Veranstaltung – nämlich die „der Republikaner“ – zu erschweren bzw. zu verhindern. So diente die Durchbrechung der Polizeikette bzw. die Gegendemonstration grade dazu in den genehmigten Bereich „der Republikaner“ einzudringen, um die dortige Versammlung wie geplant und genehmigt ablaufen zulassen.

Das Versammlungsgesetz schützt jede Versammlung, die friedlich und ohne Waffen läuft und keine verfassungswidrigen Zwecke verfolgt. Wer eine andere Versammlung versucht zu stören, macht sich strafbar.

Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte

Im Kern geht es auch bei der Strafbarkeit des Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte vor allem darum, dass das Gewaltmonopol des Staates aufrecht zu erhalten.

Die Polizisten, auf die wir uns hier konzentrieren, sollen bei der Vornahme von Vollstreckungshandlungen geschützt sein, also beispielsweise, wenn sie

  • eine Versammlung schützen,
  • jemandes Personalien aufnehmen,
  • eine Person in Gewahrsam nehmen,
  • oder einer Person Gegenstände, wie z.B. eine verbotene Fahne, abnehmen.

Ob die Polizisten dabei rechtmäßig handeln oder nicht, ist zunächst einmal egal. Wer gegen die Beamten Widerstand leistet, wenn sie einer dieser Tätigkeiten nachgehen, macht sich strafbar. Und das ziemlich schnell. Beispiele?

  • das Losreißen von einem Polizisten,
  • Schläge und Tritte gegen den Beamten oder auch
  • das Einsperren oder Festhalten eines Polizisten

Keine Gewalt sind dagegen das bloße Sitzenbleiben oder auch das Nichtgehorchen.

Landfriedensbruch

Gemäß § 125 StGB ist Täter (oder Teilnehmer) eines Landfriedensbruchs, wer sich an

  • Gewalttätigkeiten gegen Menschen oder Sachen oder
  • Bedrohungen von Menschen mit einer Gewalttätigkeit,

die aus einer Menschenmenge in einer die öffentliche Sicherheit gefährdenden Weise mit vereinten Kräften begangen werden, beteiligt oder wer auf die Menschenmenge einwirkt, um ihre Bereitschaft zu solchen Handlungen zu fördern.

Im Kern geht es also darum, die öffentliche Sicherheit zu erhalten und auch einzelne zu schützen. Für Gewalttätigkeiten reicht schon irgendein aggressives Tun, dass sich gegen die körperliche Unversehrtheit von Menschen richtet oder auf eine Sachbeschädigung hinausläuft:

  • Barrikadenkämpfe gegen Polizeibeamte
  • Bespritzen von Polizeibeamten mit Benzin
  • Werfen von Steinen, Eiern, Farbbeuteln
  • Zerstechen von Autoreifen
  • Einschlagen von Fenstern und
  • Umwerfen von Gegenständen

Darf ich Protektoren oder einen Schutzhelm tragen?

Um das Ergebnis vorweg zu nehmen:  Nein. § 17a des Versammlungsgesetzes verbietet es sogenannte Schutzwaffen zu tragen. Nach der Rechtsprechung sind alle Gegenstände Schutzwaffen, die dazu geeignet sind, behördliche Vollstreckungsmaßnahmen abzuwehren und den Trägers vor Gewaltanwendung schützen sollen. Die Polizei will sie also mit dem Schlagstock richtig treffen können – und zwar so, dass es auch mächtig weh tut. Was zählt alles als Schutzwaffe?

  • Helme – dazu gehören auch Fahrradhelme,
  • Schutzschilder, z.B. aus Holz oder auch
  • gepolsterte Kleidung, wie man sie aus Sportarten wie dem Football oder Rugby.

Uns sind jede Menge Fälle bekannt, in denen die Polizei nicht erst auf der Demonstration gegen Teilnehmer vorgegangen ist, die entsprechende Schutzmittel und Protektoren bei sich hatten, sondern schon während der Anreise zur Demo kontrollieren. So werden „verdächtige“ Autos oder Busse auf Parkplätze umgeleitet und durchsucht, innerstädtische Kontrollen eingerichtet oder auch Züge auf entfernte Gleise geleitet, um beim Ausstieg zu kontrollieren. Die Gerichte halten das Vorgehen der Polizei in den meisten Fällen für zulässig.

Weitere Straftaten bei Demonstrationen

Neben all dem gibt es unzählige weitere Straftaten, die vereinzelt im Rahmen von Demonstrationen vorkommen können. Erinnern wollen wir daran, dass z.B. das Blenden einer Hubschrauberbesetzung mit einem Laserpointer nicht nur eine Körperverletzung sein kann, sondern auch ein gefährlicher Eingriff in den Luftverkehr ist.

Daneben gelten auch auf Demonstrationen die allgemeinen Strafgesetze. Wer auf andere Menschen Steine schmeißt, diese anzündet oder mit Baseballschlägern einschlägt, macht sich unter Umständen einer gefährlichen oder schweren Körperverletzung strafbar.

Wichtig ist, dass eine kompetente und frühzeitige Verteidigung helfen kann: Machen Sie gegenüber der Polizei keine Angaben ohne Ihren Anwalt. Werden Sie in Gewahrsam genommen, verlangen Sie nach Ihrem Anwalt – am besten haben Sie die Telefonnummer schon dabei. Eine wirklich gute Verteidigung kann die Folgen einer „dummen Idee“ in Grenzen halten oder auch Fehleinschätzungen der Ermittlungsbehörden frühzeitig entlarven. Vielfach werden unsere Verfahren eingestellt oder mit geringen Geldstrafen geahndet. Sprechen Sie uns gerne unverbindlich an.